1999 führten elf europäische Staaten den Euro als ihre gemeinsame Währung ein. Diese Länder, zu denen im Laufe der Zeit weitere hinzukamen, bilden das Euro-Währungsgebiet, auch Euroraum genannt.
Ein einheitlicher Währungsraum bietet viele Vorteile.
Die Vorteile einer Währungsunion liegen auf der Hand. Durch die Einführung des Euro entfallen die Einzelwährungen der nationalen Staaten. Bei Reisen innerhalb der Euro-Länder muss kein Geld mehr gewechselt werden. Einkäufe im Ausland oder das Vergleichen von Preisen sind einfacher. Handelshürden, wie den Umtausch von Währungen, gibt es nicht mehr. Ebenso entfällt die Unsicherheit, wie sich Wechselkurse zukünftig entwickeln. Unternehmen gewinnen Planungssicherheit und können ihre Kosten reduzieren. Dies stärkt den grenzüberschreitenden Handel und fördert Wachstum und Beschäftigung. Zudem ist durch den Euro ein einheitlicher europäischer Finanzmarkt entstanden, der Unternehmen die Kapitalaufnahme und Investoren die Kapitalanlage erleichtert.
Der Weg zu einer gemeinsamen europäischen Währung dauerte mehrere Jahrzehnte. Nach zwei verheerenden Weltkriegen rückten die ehemals verfeindeten Länder Europas in den 1950er-Jahren langsam zusammen.
Im April 1951 gründeten Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS), die sogenannte Montanunion. Die EGKS war die erste supranationale europäische Institution.
1957 gründeten diese Länder die Europäische Atomgemeinschaft (Euratom) und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, mit der ein gemeinsamer europäischer Markt gegründet wurde. Nach dem Ort der Unterzeichnung werden die Beschlüsse als „Römische Verträge“ bezeichnet.
Im April 1965 rückte Europa noch weiter zusammen: Die Wirtschaftsunionen – EGKS, Euratom und EWG – wurden unter dem Namen Europäische Gemeinschaften (EG) zusammengeschlossen.
Im Oktober 1970 legte eine Kommission unter dem luxemburgischen Premierminister Pierre Werner einen Plan für eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion vor. Dieser sah drei Stufen vor: 1971-73 eine stärkere Koordination der Wirtschafts- und Währungspolitik, 1974-79 eine verbindlichere Harmonisierung der Wirtschafts- und Währungspolitik und 1980 die Übertragung der wirtschaftspolitischen Kompetenzen auf die europäische Ebene und die Einführung einer gemeinsamen Währung.
Mit der schrittweisen Umsetzung des Werner-Plans wurde zunächst 1972 der Europäische Wechselkursverbund geschaffen. Die Wechselkurse der EG-Länder sollten nur in einer Bandbreite von 2,25% nach oben und unten um einen Leitkurs schwanken. Aufgrund zu häufiger Wechselkursanpassungen zwischen den EG-Ländern verlor der Europäische Wechselkursverbund nicht nur viele Teilnehmer, sondern die zweite Stufe des Werner-Plans wurde gar nicht mehr umgesetzt. Dennoch wuchs die EG weiter. 1973 kamen zu den sechs Gründungsmitgliedern der EG Großbritannien, Irland und Dänemark hinzu.
Mit der Einführung des Europäischen Währungssystems (EWS) nahmen die EG-Mitgliedsländer 1979 einen neuen Anlauf, ihre Währungspolitik zu koordinieren. Das EWS beruhte auf dem Konzept stabiler, aber anpassungsfähiger Wechselkurse. Innerhalb des EWS wurden Wechselkurschwankungen durch einen Wechselkursmechanismus gesteuert. In dessen Zentrum stand die europäische Währungseinheit „European Currency Unit“ (ECU).
Die Pläne zur heutigen Währungsunion wurden 1989 vorgelegt.
Im Februar 1986 unterzeichneten die – nach dem Beitritt von Portugal, Spanien und Griechenland – inzwischen zwölf EG-Mitgliedstaaten die Einheitliche Europäische Akte (EEA). Zu den Zielen zählte die Vollendung des europäischen Binnenmarktes bis 1992 mit freiem Warenverkehr, Personenfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und freiem Kapital- und Zahlungsverkehr innerhalb der EG.
Im Frühjahr 1989 legte eine Expertenkommission unter dem Vorsitz des Präsidenten der EG-Kommission, Jacques Delors, einen neuen Drei-Stufen-Plan für eine europäische Wirtschafts- und Währungsunion vor. Daran anknüpfend beschloss der Europäische Rat im Juni 1989, die erste Stufe zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Juni 1990 zu beginnen.
Die erste Stufe hatte das Ziel, die Geld- und Fiskalpolitik der europäischen Staaten stärker als bisher auf die Erfordernisse von Preisstabilität und Haushaltsdisziplin auszurichten. Um das zu erreichen, wurden Maßnahmen umgesetzt, die die Unabhängigkeit der Zentralbanken von den jeweiligen Regierungen stärkten. Außerdem hoben die teilnehmenden Staaten alle Kapitalverkehrskontrollen auf, um einen uneingeschränkten Kapitalverkehr zu gewährleisten.
Als wichtiger Meilenstein der ersten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion gilt der „Vertrag über die Europäische Union“ (auch „Maastricht-Vertrag“), den die EG-Mitgliedstaaten am 7. Februar 1992 in Maastricht unterzeichneten. Der Vertrag setzte die Integration Europas unter dem neuen Namen Europäische Union (EU) fort und konkretisierte den Fahrplan für die Umsetzung der beiden nächsten Stufen bis spätestens Januar 1999.
Zudem verpflichteten sich die unterzeichnenden Staaten erstmals zu sogenannten Konvergenzkriterien (auch „Maastricht-Kriterien“ genannt). Die Einhaltung dieser fiskalischen und monetären Vorgabewerte in den EU-Ländern soll wirtschaftliche Stabilität und Solidität im Rahmen der Wirtschafts- und Währungsunion gewährleisten.
Die zweite Stufe begann am 1. Januar 1994 mit der Errichtung des Europäischen Währungsinstituts (EWI) in Frankfurt am Main. Das EWI bereitete regulatorisch, organisatorisch und logistisch die dritte Stufe vor. Die Durchführung der Geld- und Wechselkurspolitik blieb jedoch bis 1. Januar 1999 bei den nationalen Zentralbanken – in Deutschland bei der Deutschen Bundesbank.
Im Dezember 1995 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union (Europäischer Rat) in Madrid auf die Bezeichnung „Euro“. Im darauffolgenden Jahr stellte das EWI die Siegerentwürfe eines Wettbewerbs für die neuen Euro-Banknoten vor.
Am 17. Juni 1997 verständigte sich der Europäische Rat in Amsterdam auf den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Darin verpflichten sich die EU-Länder, auch nach dem Eintritt in die Währungsunion die bereits im Maastricht-Vertrag festgelegte Haushaltsdisziplin zu wahren.
Am 2. Mai 1998 stellte der EU-Rat fest, dass 13 der 15 EU-Mitgliedstaaten die im Maastricht-Vertrag festgelegten Konvergenzkriterien erfüllen. Schweden und Griechenland erfüllten sie zu diesem Zeitpunkt nicht.
Zum 1. Juni 1998 nahmen die Europäische Zentralbank (EZB) und das Europäische System der Zentralbanken ( EZB) ihre Arbeit auf. Sie lösten das EWI ab.
Von den 13 Ländern führten elf Anfang 1999 den Euro als einheitliche Währung ein: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Spanien. Dänemark und Großbritannien entschieden sich, die gemeinsame Währung nicht einzuführen und somit an der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion nicht teilzunehmen.
Mit Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion am 1. Januar 1999 wurden die Wechselkurse der nationalen Währungen der Teilnehmerländer zum Euro unwiderruflich festgelegt. In elf Ländern wurde der Euro die gemeinsame Währung. Der Umrechnungskurs der D-Mark wurde auf 1 Euro = 1,95583 DM festgelegt.
Auf der Suche nach einem Namen für die gemeinsame Währung wurden auch Vorschläge wie Ecu, Taler und Ducat, Franken und Florin diskutiert. Im Dezember 1995 einigte sich der Europäische Rat auf die Wortschöpfung „Euro“. Damit war ein Begriff gefunden, der deutlich auf den Kontinent Europa verweist, in allen Amtssprachen der Europäischen Union gleich lautet und leicht auszusprechen ist. Das Euro-Zeichen (€) entstand aus dem Anfangsbuchstaben des Wortes „Europa“. Das Design lehnt sich an den griechischen Buchstaben Epsilon an und schlägt so einen Bogen zum antiken Griechenland, der Wiege der europäischen Zivilisation.
Das Aussehen der Euro-Banknoten wurde im Rahmen eines Gestaltungswettbewerbs festlegt. Es konnten Entwürfe entweder zum Thema „Zeitalter und Stile in Europa“ oder nach einem frei wählbaren abstrakt-modernen Design eingereicht werden. Aus 44 Vorschlägen wurde der Entwurf von Robert Kalina, einem Grafiker der österreichischen Nationalbank, ausgewählt.
Den Euro gab es zunächst drei Jahre lang nur als Buchgeld. Als Bargeld dienten weiterhin die Münzen und Banknoten der nationalen Währungen. An den Finanzmärkten notierten die Kurse bereits in Euro und alle Euro-Mitgliedstaaten begaben ihre Staatsschuldtitel seit Anfang 1999 ausschließlich in Euro. Bereits umlaufende Papiere wurden auf Euro umgestellt.
1999 wurde der Euro als Buchgeld, 2002 auch als Bargeld eingeführt.
Zum 1. Januar 2002 wurden die Euro-Banknoten und -Münzen eingeführt und gesetzliches Zahlungsmittel. Die bislang gültigen nationalen Währungen verloren diesen Status. In einer Übergangsphase konnte zunächst sowohl mit altem nationalem Bargeld als auch mit Euro-Bargeld gezahlt werden, viele Geschäfte zeichneten ihre Preise noch in beiden Währungen aus. Die nationalen Zentralbanken gaben jedoch nur noch Euro aus und zogen die nationalen Banknoten und Münzen nach und nach aus dem Verkehr.
Von den 27 EU-Ländern gehören dem Euro-Währungsgebiet heute 20 Länder an: Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Spanien, Griechenland, Slowenien, Malta und Zypern, Slowakei, Estland, Lettland, Litauen und Kroatien.
Voraussetzung für den Beitritt zum Euroraum ist die Erfüllung der Konvergenzkriterien.
Die EU-Staaten, die den Euro noch nicht als gemeinsame Währung eingeführt haben, sind grundsätzlich verpflichtet, dem Euro-Währungsgebiet beizutreten, sobald sie die Konvergenzkriterien erfüllen. Eine Ausnahme bildet Dänemark, das eine Sonderstellung („Opting-out-Klausel“) ausgehandelt hat. Es kann selbst entscheiden, ob es den Euro als Währung übernimmt, sofern es die Konvergenzkriterien erfüllt. Gleiches galt für Großbritannien bis zu seinem Austritt aus der EU (Brexit) zum 1. Februar 2020.
Zur Beurteilung der „Stabilitätsreife“ potenzieller Teilnehmerländer sind die sogenannten Konvergenzkriterien festgelegt worden, nach denen entschieden wird, ob ein Land den Euro einführen kann.
Die Inflationsrate darf nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer der Europäischen Union liegen.
Die Nominalzinssätze langfristiger Staatsschuldverschreibungen oder vergleichbarer Wertpapiere dürfen nicht mehr als zwei Prozentpunkte über den entsprechenden Zinssätzen der drei preisstabilsten Mitgliedsländer der Europäischen Union liegen.
Das jährliche Haushaltsdefizit sollte grundsätzlich nicht mehr als 3%, der öffentliche Schuldenstand nicht mehr als 60% des Bruttoinlandsprodukts betragen.
Der Beitrittskandidat muss mindestens zwei Jahre am „Wechselkursmechanismus II“ – einem Festkurssystem mit dem Euro als Leitwährung – teilgenommen haben. Innerhalb der zwei Jahre darf der Wechselkurs der Währung des Beitrittskandidaten keinen starken Schwankungen gegenüber dem Euro ausgesetzt gewesen sein. Das Land soll so unter Beweis stellen, dass die eigene Wirtschaft nicht auf gelegentliche Abwertungen angewiesen ist.
Da nicht alle Mitgliedstaaten der EU zum Euro-Währungsgebiet gehören, wird zwischen dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) und dem Eurosystem unterschieden.
Eurosystem: Europäische Zentralbank (EZB) und nationale Zentralbanken der Euro-Länder
Das ESZB setzt sich zusammen aus der EZB mit Sitz in Frankfurt am Main und den nationalen Zentralbanken (NZBen) aller Mitgliedstaaten der EU. Zum Eurosystem gehören neben der EZB nur die NZBen der EU-Mitgliedstaaten, die den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben.
Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die zentrale Institution des ESZB. Ihre vorrangige Aufgabe ist es, Preisstabilität im Euroraum zu gewährleisten und so die Kaufkraft des Euro zu erhalten. Seit 2014 ist die EZB zudem für die einheitliche Bankenaufsicht im Euroraum zuständig.
Oberstes Entscheidungsorgan des Eurosystems ist der EZB-Rat. Er besteht aus den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums (mit EZB-Präsident/in) sowie den Präsidenten und Präsidentinnen der nationalen Zentralbanken des Eurosystems. Dementsprechend ist der Präsident oder die Präsidentin der Deutschen Bundesbank Mitglied im EZB-Rat und nimmt an den Ratssitzungen teil. Dies geschieht allerdings nicht als Vertretung der Bundesbank oder der Bundesrepublik Deutschland, sondern unabhängig, da alle Mitglieder im EZB-Rat an keinerlei Weisungen gebunden sind. Damit agiert der EZB-Rat insgesamt bei der Gestaltung der Geldpolitik politisch unabhängig. Jedes EZB-Ratsmitglied soll sich also ausschließlich an den stabilitätspolitischen Erfordernissen des gesamten Euroraums ausrichten.
Der EZB-Rat ist das oberste Entscheidungsgremium des Eurosystems.
Der EZB-Rat tagt üblicherweise zweimal pro Monat. Geldpolitische Sitzungen finden in der Regel alle sechs Wochen statt. Die Mitglieder im EZB-Rat tagen um einen runden Tisch. Die Sitzordnung ergibt sich alphabetisch aus den Nachnamen der Mitglieder – und nicht nach der alphabetischen Reihung der Mitgliedsländer.
Der EZB-Rat entscheidet über die Geldpolitik im Euroraum.
Dem EZB-Rat sind nicht nur die geldpolitischen, sondern auch nahezu alle anderen zentralen Entscheidungskompetenzen zugewiesen. Insbesondere besitzt er das Recht, Leitlinien zu erlassen und Entscheidungen bezüglich der dem Eurosystem übertragenen Aufgaben zu treffen. Seit 2014 obliegt ihm die Beschlussfassung im Rahmen der bankenaufsichtlichen Tätigkeiten der EZB. Der EZB-Rat legt ferner die Geschäftsordnung und die Organisation der EZB und ihrer Beschlussorgane sowie die Beschäftigungsbedingungen für ihr Personal fest. Der Großteil der Entscheidungen wird nach dem Prinzip „one member, one vote“ getroffen, d. h. die Stimme jedes Mitglieds ist gleich viel wert. Bei einigen Entscheidungen im EZB-Rat richtet sich das Stimmgewicht aber nicht nach Köpfen, sondern nach den voll eingezahlten Anteilen der nationalen Zentralbanken am Eigenkapital der EZB.
Dazu zählen Entscheidungen über das EZB-Kapital, über die Beiträge der nationalen Zentralbanken zu den Währungsreserven der EZB sowie über Fragen der Gewinnverteilung im Eurosystem. Die Mitglieder des EZB-Direktoriums haben bei diesen Fragen kein Stimmrecht. Der Anteil der Bundesbank am EZB-Eigenkapital beträgt derzeit 26,1%.
Um die Unabhängigkeit der EZB von politischer Einflussnahme zu gewährleisten, verfügt sie über ein eigenes Grundkapital, das von den nationalen Zentralbanken gezeichnet wird. Gegenwärtig liegt das gezeichnete Kapital bei 10,83 Mrd. Euro. Jedes Land der EU wird in die Berechnung des Kapitalschlüssels mit einbezogen. Anteilseigner der EZB sind also nicht nur die Zentralbanken der Euro-Mitgliedstaaten, sondern alle NZBen in der EU. Auf jede nationale Zentralbank entfällt davon nach dem „Kapitalschlüssel“ ein festgelegter Prozentsatz. Seine Höhe richtet sich danach, wie groß ein Mitgliedstaat im Verhältnis zur gesamten Europäischen Union ist, gemessen jeweils zur Hälfte an der Bevölkerung und am Bruttoinlandsprodukt.
Der Anteil der Bundesbank am gezeichneten Kapital beträgt rund 21%. Das tatsächlich eingezahlte Kapital der EZB beträgt jedoch nur 8,9 Mrd. Euro. Denn nur die Zentralbanken der Euro-Länder müssen ihren Kapitalanteil tatsächlich in voller Höhe einzahlen. Alle übrigen Mitglieder im ESZB müssen nur 3,75% ihres Anteils leisten, um sich an den Betriebskosten der EZB zu beteiligen. Der Kapitalschlüssel des vollständig eingezahlten Kapitals verteilt sich so nur auf die Zentralbanken der Euro-Mitgliedstaaten. Auf die Bundesbank entfallen 2,32 Mrd. Euro, ein Anteil von rund 26%.
Da die NZBen der Euro-Mitgliedstaaten ihr gezeichnetes Kapital in voller Höhe eingezahlt haben, sind sie an den Überschüssen oder Defiziten der EZB beteiligt. Verzeichnet die EZB in einem Jahr einen Gewinn, wird dieser entsprechend des Kapitalschlüssels an die NZBen des Euroraums ausgezahlt. So betrug im Jahr 2021 die Gewinnausschüttung an die Bundesbank 50,5 Millionen Euro.
In den ersten Jahren des Eurosystems hatte im EZB-Rat bei Entscheidungen jedes anwesende Mitglied ein Stimmrecht. Seit dem Beitritt von Litauen zum Euro-Währungsgebiet als 19. Mitgliedstaat zum Jahresbeginn 2015 trat eine neue Regelung in Kraft.
Seither sind neben den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums maximal 15 Präsidenten oder Präsidentinnen nationaler Zentralbanken stimmberechtigt. Sie üben ihr Stimmrecht auf Basis eines monatlichen Rotationssystems aus.
Ab 19 Euro-Ländern „rotieren“ die Stimmrechte im EZB-Rat.
Dafür werden die Euro-Länder gemäß ihrer Wirtschaftskraft und der Größe ihres Finanzsektors in zwei Gruppen eingeteilt: Die NZB-Präsidenten und Präsidentinnen (im folgenden NZB-Präsidenten/innen) der fünf größten Länder bilden die erste Gruppe mit vier Stimmrechten. Jedes Mitglied dieser Gruppe besitzt innerhalb von fünf Monaten also für einen Monat kein Stimmrecht. Die derzeit 15 NZB-Präsidenten/innen aller anderen Euro-Länder bilden die zweite Gruppe mit elf Stimmrechten. Auch in dieser Gruppe ändert sich monatlich die Liste der NZB-Präsidenten/innen, die dann für drei Monate am Stück kein Stimmrecht haben.
Bei einer Erweiterung des Euroraums auf mehr als 21 Staaten werden neben den sechs Mitgliedern des EZB-Direktoriums drei Gruppen gebildet. Die NZB-Präsidenten/innen der fünf größten Länder bilden weiterhin die erste Gruppe mit unverändert vier Stimmrechten. Die zweite Gruppe besteht aus den NZB-Präsidenten/innen der mittleren Euro-Länder. Diese Gruppe umfasst die Hälfte aller Euro-Länder und besitzt acht Stimmrechte. Die dritte Gruppe bilden schließlich die NZB-Präsidenten/innen der übrigen kleinsten Euro-Länder mit insgesamt drei Stimmrechten.
Aufgrund dieser Regelungen haben Präsidenten bzw. Präsidentinnen einiger nationaler Zentralbanken zeitweise kein Stimmrecht. Sie nehmen aber trotzdem an den Sitzungen des EZB-Rats teil und haben auch ein Rederecht. Abgestimmt wird mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit im EZB-Rat gibt die Stimme des EZB-Präsidenten bzw. der EZB-Präsidentin den Ausschlag.
Das Direktorium der EZB führt die laufenden Geschäfte der Europäischen Zentralbank, bereitet die Sitzungen des EZB-Rats vor und ist für die einheitliche Durchführung der Geldpolitik im Eurosystem gemäß den Leitlinien des EZB-Rats verantwortlich. Neben EZB-Präsident/in und EZB-Vizepräsident/in besteht das Direktorium aus vier weiteren Mitgliedern. Sie werden auf Empfehlung des Rats der Ministerinnen und Minister für Wirtschaft- und Finanzen ( Ecofin-Rat) nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des EZB-Rats vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt.
Die Direktoriumsmitglieder sollen in Währungs- und Bankfragen anerkannte und erfahrene Persönlichkeiten sein. Der EZB-Präsident bzw. die EZB-Präsidentin repräsentiert die EZB und das Eurosystem und erläutert nach den geldpolitischen Sitzungen des EZB-Rates der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz die Beschlüsse.
Solange nicht alle Staaten der Europäischen Union den Euro als gemeinsame Währung eingeführt haben, gibt es neben dem EZB-Rat noch den „Erweiterten Rat“. Ihm gehören der/die EZB-Präsident/in, der/die EZB-Vizepräsident/in sowie die Präsidenten und Präsidentinnen der nationalen Zentralbanken aller EU-Staaten an. Der Erweiterte Rat ist das Bindeglied zu den Zentralbanken der EU-Staaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören. Geldpolitische Befugnisse hat er nicht. Doch leistet der Erweiterte Rat in Fragen der Erweiterung des Euroraums sowie der Harmonisierung der Statistiken wichtige Vorarbeiten.
Die Deutsche Bundesbank ist als deutsche Zentralbank mit den anderen NZBen Teil des Eurosystems sowie des ESZB. Sie bringt in Deutschland das Euro-Bargeld in Umlauf, ist an der Bankenaufsicht beteiligt, arbeitet für ein stabiles Finanz- und Währungssystem und sorgt für einen reibungslosen bargeldlosen Zahlungsverkehr. Sie betreibt umfangreiche ökonomische Forschung und erstellt Statistiken, die der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Die Deutsche Bundesbank ist Teil des Eurosystems und des ESZB.
Darüber hinaus verwaltet die Bundesbank die deutschen Währungsreserven, berät die Regierung in währungspolitischen Fragen und übernimmt als „Hausbank“ des Staates für die öffentlichen Haushalte Kontoführung und Abwicklung ihres Geld- und Wertpapierverkehrs. Sie vertritt die deutschen Interessen in zahlreichen internationalen Gremien, darunter beispielsweise im Internationalen Währungsfonds (IWF).
Mit der gemeinsamen Währung wurde zwar eine einheitliche Geldpolitik eingeführt, die übrigen Politikbereiche verblieben aber weiterhin in nationaler Verantwortung jedes Euro-Staates. Nun bedeutet eine gemeinsame europäische Geldpolitik aus Sicht eines einzelnen Euro-Landes, dass die Zentralbank geldpolitisch nicht mehr auf ökonomische Schocks reagieren kann, die nur dieses Land treffen. Die Möglichkeit, die eigene Währung im Falle eines Wirtschaftsabschwungs abzuwerten, indem etwa die Geldpolitik sehr locker ausgestaltet wird, entfällt also in einer Währungsunion.
Es war deshalb bei der Gründung der Währungsunion klar, dass alle Euro- Mitgliedstaaten ihre Wirtschafts- und Finanzpolitiken stabilitätsgerecht ausrichten müssen. Und auch die Lohnpolitik der Tarifparteien muss den geänderten Rahmenbedingungen in der Währungsunion Rechnung tragen. Sonst läuft die wirtschaftliche Entwicklung in den Euro-Ländern im Laufe der Zeit auseinander und es kommt zu Konflikten im gemeinsamen Währungsraum – sowohl zwischen den Politikbereichen als auch zwischen den Ländern.
Um dem entgegenzuwirken, soll ein gemeinsamer Ordnungsrahmen aus rechtlichen Vorschriften und Festlegungen die nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitiken leiten und koordinieren.
Für eine erfolgreiche Stabilitätspolitik braucht eine Zentralbank neben einem klaren Gesetzesauftrag vor allem politische Unabhängigkeit. Sie muss über den Einsatz ihrer geldpolitischen Instrumente frei entscheiden können und darf zu nichts gezwungen werden, was ihrem Auftrag entgegensteht.
Bei der Wahrnehmung der ihnen (...) übertragenen Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die Europäische Zentralbank noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Die Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union sowie die Regierungen der Mitgliedstaaten verpflichten sich, diesen Grundsatz zu beachten und nicht zu versuchen, die Mitglieder der Beschlussorgane der Europäischen Zentralbank oder der nationalen Zentralbanken bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu beeinflussen.
Unabhängige Zentralbanken sind besser in der Lage, den Geldwert zu sichern, weil sie nicht den kurzfristigen Handlungszwängen und wahltaktischen Überlegungen von Regierungen unterliegen.
Die Unabhängigkeit ist in Artikel 130 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag) verankert. Der Vertrag und das Statut des ESZB können nicht durch ein einfaches nationales Gesetz geändert werden. Hierfür wäre die Zustimmung aller EU-Länder nötig. Die Unabhängigkeit beschränkt sich dabei nicht nur auf die EZB. Auch die NZBen mussten spätestens bei der Einführung des Euro in die Unabhängigkeit entlassen worden sein (rechtliche Konvergenz).
Die Unabhängigkeit des Eurosystems ist in mehrfacher Hinsicht gewährleistet: institutionell, funktionell, personell und finanziell. Sie ist institutionell dadurch gesichert, dass es nationalen und supranationalen Stellen – wie z. B. der EU-Kommission – verboten ist, der EZB oder den nationalen Zentralbanken Weisungen zu erteilen – selbst der Versuch der Beeinflussung ist untersagt.
Das Eurosystem ist funktionell unabhängig, weil es selbst verantwortlich ist für die Wahl seiner Strategien und Maßnahmen, um Preisstabilität zu erreichen. Diese Autonomie darf auch nicht durch eine irgendwie geartete Verpflichtung zur Kreditgewährung an den Staat unterlaufen werden. Den nationalen Zentralbanken ist die Vergabe von Krediten an die Europäische Union, an die nationalen Regierungen und sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln öffentlicher Stellen. Dieses Verbot der „monetären Staatsfinanzierung“ ist in Artikel 123 des AEU-Vertrags festgeschrieben.
Hinsichtlich der funktionellen Unabhängigkeit besteht allerdings eine Einschränkung: Der Ecofin-Rat kann förmliche Vereinbarungen über das Wechselkurssystem treffen. Entsprechende Beschlüsse bedürfen einer vorherigen Empfehlung der EU-Kommission oder der EZB und dürfen das vorrangige Ziel der Preisstabilität nicht gefährden.
Zur personellen Unabhängigkeit trägt die lange Amtszeit der Mitglieder des EZB-Rats sowie deren Schutz vor willkürlicher, vorzeitiger Amtsenthebung bei: So werden die Mitglieder des EZB-Direktoriums einmalig auf acht Jahre ernannt, wobei eine Wiederernennung nicht zulässig ist. Das stellt sicher, dass sie ihre Entscheidungen nicht an etwaigen Chancen ausrichten, für eine zweite Amtszeit ernannt zu werden. Von der regulären Vertragsdauer von acht Jahren wurde lediglich bei der Gründung der EZB abgewichen, um zu vermeiden, dass nach acht Jahren alle Verträge gleichzeitig auslaufen.
Die Präsidenten und Präsidentinnen der nationalen Zentralbanken haben eine Amtszeit von mindestens fünf Jahren. Sie können wiederernannt werden.
Darüber hinaus ist das Eurosystem auch finanziell unabhängig. Die Zentralbanken können frei und unabhängig über ihre finanziellen Mittel verfügen. Eine Übertragung dieser Verantwortung auf nationale Regierungen oder Parlamente ist verboten. Die unabhängigen nationalen Zentralbanken sind zudem die alleinigen Kapitalzeichner der EZB.
(1) Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der Europäischen Zentralbank oder den Zentralbanken der Mitgliedstaaten (…) für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, (…) sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken.
Die Unabhängigkeit des Eurosystems soll sicherstellen, dass die Geldpolitik stabilitätsorientiert handeln kann. Zugleich muss sich das Eurosystem auf diesen Auftrag beschränken – es darf also keine anderen politischen Ziele verfolgen, für die per Gesetz die gewählten Parlamente zuständig sind. Gerade weil die Zentralbanken des Eurosystems politisch unabhängig sind, sind sie zur Offenheit verpflichtet: Sie müssen über ihre Entscheidungen und den Erfolg ihrer Maßnahmen öffentlich Rechenschaft ablegen. Hierzu berichtet die EZB dem Europäischen Parlament, der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat über die Geld- und Währungspolitik sowie die übrigen Tätigkeiten des Eurosystems. Außerdem muss die EZB mindestens vierteljährlich einen Bericht über ihre Tätigkeiten veröffentlichen. Sie kommt dieser Verpflichtung durch ihre alle sechs Wochen erscheinenden Wirtschaftsberichte nach.
Die EZB-Präsidentin oder der EZB-Präsident steht den Medien nach den geldpolitischen Sitzungen des EZB-Rats auf einer Pressekonferenz Rede und Antwort. Seit Anfang 2015 veröffentlicht der EZB-Rat außerdem Zusammenfassungen der geldpolitischen Diskussionen der EZB-Ratsmitglieder. Abgesehen von dieser Verpflichtung zur Rechenschaft liegt es ohnehin im Interesse des Eurosystems, der Öffentlichkeit seine Ziele und Maßnahmen verständlich zu machen, um so Glaubwürdigkeit und Unterstützung zu gewinnen und zu bewahren.
Eine Eigenverantwortung der nationalen Finanzpolitik bedeutet in der Währungsunion auch, dass ein Land für die von ihm aufgenommenen staatlichen Schulden alleine geradestehen muss. Deshalb legt Artikel 125 des AEU-Vertrags einen gegenseitigen Haftungsausschluss fest: Weder die Gemeinschaft (EU), noch die Mitgliedstaaten haften für die Schulden eines Mitglieds. In der Fachsprache ist von der „No Bail-out“-Regel die Rede oder dem Verbot eines „Bail-out“, also dem Verbot, einem Schuldnerland seine Schulden abzunehmen. Dieses Verbot soll jeden Mitgliedstaat dazu bringen, solide mit seinen Finanzen umzugehen.
Kein Mitgliedsland des Euroraums haftet für die Schulden eines anderen („No Bail-out“).
Dieser Haftungsausschluss soll auch bewirken, dass bei einer Geldanlage an den Finanzmärkten die Staatsschulden eines Landes allein nach der Finanzkraft des betreffenden Landes beurteilt werden. Davon wiederum sollte eine disziplinierende Wirkung auf die nationale Politik ausgehen:
(1) Die Union haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen (...) oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (…) und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; (…) Ein Mitgliedstaat haftet nicht für die Verbindlichkeiten der Zentralregierungen (…) oder anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften (…) und tritt nicht für derartige Verbindlichkeiten ein; (…).
Denn kommen die Anleger zu der Einschätzung, dass ein Staat übermäßig viele Schulden macht, sehen sie erhöhte Risiken für die pünktliche Bedienung der Staatsschulden mit Zins und Tilgung. Wegen des erhöhten Risikos gewähren sie diesem Staat dann neue Kredite nur zu höheren Zinsen. Für den Staat verteuert sich also die Kreditaufnahme. Diese „finanzielle Sanktion“ sollte dazu führen, weniger Schulden zu machen und damit den Staatshaushalt in der Tendenz wieder ins Lot zu bringen.
Solide Staatsfinanzen sind wichtig für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik. Denn wenn Zweifel an der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen bestehen, droht die Geldpolitik unter Druck zu geraten, die übermäßige Verschuldung über die Notenpresse zu finanzieren. In einer Währungsunion aus souveränen Staaten ist der Anreiz eines Euro-Staates auf solide Staatsfinanzen zu achten, kleiner. Denn wenn sich ein einzelner Staat übermäßig verschuldet, fällt die notwendige geldpolitische Reaktion (Zinserhöhung) für die gesamte Währungsunion geringer aus als im Falle einer nationalen Währung. Andererseits sind alle anderen Mitgliedstaaten von den Auswirkungen einer übermäßigen Verschuldung und der geldpolitischen Reaktion darauf auch betroffen. Daher sind solide Staatsfinanzen in der Währungsunion nötig.
Um auf solide Staatsfinanzen hinzuwirken, wurde im Vertrag über die Europäische Union ein fiskalisches Regelwerk vereinbart. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) konkretisiert die darin enthaltenen Vorgaben. Er wurde 1997 beschlossen und ist seither mehrfach überarbeitet und ergänzt worden.
Im Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichten sich die Euro-Länder zu einer soliden Haushaltsführung.
Der SWP enthält zum einen das Ziel eines nahezu ausgeglichenen strukturellen Haushalts (präventiver Teil). Das heißt, der um konjunkturelle und vorübergehende Einflüsse bereinigte Saldo des nationalen Haushaltes soll nahe Null sein. Ist dieses Haushaltsziel noch nicht erreicht, soll sich der strukturelle Saldo diesem Ziel annähern. Wenn sich die Mitgliedstaaten über einen längeren Zeitraum nicht an diese Vorgaben halten, können Sanktionen verhängt werden.
Zum anderen gibt der SWP im korrektiven Teil vor, wie zu verfahren ist, wenn die sogenannten Referenzwerte verletzt werden. Der Referenzwert für das Haushaltsdefizit eines Staates liegt bei 3% des BIP und der für die Verschuldung bei 60% des BIP. Der Referenzwert für die Verschuldung gilt aber auch bei Schuldenquoten über 60% als eingehalten, wenn sich die Schuldenquote der 60-%-Grenze rasch genug annähert.
Werden diese Referenzwerte verletzt, ist im Regelfall ein „Verfahren bei einem übermäßigen Defizit“ einzuleiten. Dabei werden Vorgaben für die Korrektur gemacht. Insbesondere wird bestimmt, wann der Referenzwert wieder einzuhalten ist. Bei anhaltender Zielverletzung können finanzielle Sanktionen verhängt werden. Wie auch im präventiven Teil, sollen drohende Sanktionen einen Anreiz erzeugen, den Vorgaben Folge zu leisten.
Überprüft wird die Einhaltung dieser Fiskalregeln im Rahmen des Europäischen Semesters (s.u.) durch die Europäische Kommission. Dazu betrachtet sie die Ergebnisse abgelaufener Jahre. Zudem analysiert sie die mittelfristigen Pläne (Stabilitätsprogramme) der nationalen Regierungen sowie deren Haushaltsplanung für das kommende Jahr. Die Kommission hat zwar eine starke Rolle bei der Haushaltsüberwachung. Die endgültige Entscheidung über Verfahrensschritte und Sanktionen liegt jedoch beim Rat der Europäischen Union (in der Regel beim Ecofin).
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ist nur wirksam, wenn er konsequent umgesetzt wird.
Die zentralen Vorgaben des präventiven und korrektiven Teils des SWP sind im Prinzip geeignet, auf tragfähige Staatsfinanzen im Euroraum hinzuwirken. Bei nahezu ausgeglichenen strukturellen Salden würden hohe Schuldenquoten in der Regel rasch sinken und es würde eine solide Position erreicht. Im Falle von Verfehlungen würde der grundsätzlich empfohlene fiskalpolitische Kurs dazu führen, dass das Ziel zügig wieder eingehalten wird.
Tatsächlich haben die Regeln aber nur eine geringe Bindungswirkung. Die Referenzwerte für das Defizit und die Verschuldung wurden seit Beginn der Währungsunion häufig verletzt. Ein annähernd ausgeglichener struktureller Saldo wurde in den Mitgliedsländern nur selten erreicht. Dies liegt an der grundsätzlich zu beobachtenden Verschuldungsneigung der Politik.
Die zahlreichen Ausnahmen, die erhebliche Komplexität und vor allem die Ermessensspielräume in den Bestimmungen haben das Verfehlen erleichtert. So hat die Kommission selbst bei sehr hohen und weiter steigenden Schuldenquoten noch nie Sanktionen verhängt. Außerdem liegen die endgültigen Entscheidungen beim Rat der Europäischen Union. Das heißt bildlich gesprochen: „Sünder richten über Sünder“. Denn die darin vertretenen Ministerinnen und Minister könnten jederzeit selber mit den Vorgaben des SWP in Konflikt geraten und von Sanktionen betroffen sein. Dies zeigt, dass Fiskalregeln alleine nicht ausreichen, um solide Staatsfinanzen in der Währungsunion abzusichern. Umso wichtiger ist es, dass über andere Kanäle, Anreize zu soliden Staatsfinanzen geschaffen werden. Dabei kommt vor allem den Finanzmärkten eine wichtige Rolle zu, der Verschuldungsneigung der Mitgliedstaaten Grenzen zu setzen. Das gelingt aber nur dann, wenn gewährleistet ist, dass Mitgliedstaaten mit hoher und weiter steigender Verschuldung höhere Zinsen zahlen müssen als die Mitgliedsländer, die den SWP einhalten.
Die geringe Bindungswirkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes hat mit dazu beigetragen, dass im Zuge der Finanzkrise Zweifel an der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen einiger Mitgliedstaaten aufkamen. Die Finanzkrise mündete schließlich in eine Staatsschuldenkrise im Euroraum. In deren Verlauf wurden zunächst temporäre Rettungsmechanismen zur Unterstützung einzelner Euro-Staaten geschaffen. Später wurde der dauerhafte europäische Stabilitätsmechanismus ESM gegründet. Im Gegenzug zu der damit verbundenen Ausweitung der gemeinschaftlichen Haftung innerhalb des Euroraums sollten die Fiskalregeln gestärkt werden. Mit diesem Ziel wurde der sogenannte Fiskalpakt (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion) als zwischenstaatliches Abkommen ins Leben gerufen.
Die Regierungen von 25 der damals 27 EU-Länder einigten sich auf den Fiskalpakt. Dieser sollte die Eigenverantwortung der Mitgliedstaaten für die Einhaltung der gemeinsamen Fiskalregeln stärken. Der Fiskalpakt trat Anfang 2013 in Kraft. Er ergänzt den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt. Da Großbritannien und Tschechien ihre Teilnahme ablehnten, ist der Fiskalpakt keine Ergänzung des AEU-Vertrags, sondern ein zwischenstaatliches Abkommen.
Der Großteil der EU-Staaten hat eine „Schuldenbremse“ vereinbart.
Mit dem Fiskalpakt verpflichtete sich jedes teilnehmende Land, die europäischen Regeln zum strukturell ausgeglichenen Haushalt in seinem nationalen Recht zu verankern. Darin ist auch festzulegen, dass automatisch ein Korrekturmechanismus eingeleitet wird, wenn die Vorgaben verfehlt werden (sogenannte Schuldenbremse). Außerdem sollen auf der nationalen Ebene unabhängige Einrichtungen (sogenannte Fiskalräte) überwachen, ob die Regeln eingehalten werden. Darüber hinaus wurde im Rahmen des Fiskalpakts vereinbart, dass ein Defizitverfahren im SWP nur noch durch eine Zweidrittel-Mehrheit im Rat gestoppt werden kann.
Im Februar 2017 bestätigte die Kommission allen teilnehmenden Mitgliedstaaten, die Anforderungen des Fiskalpakts erfüllt zu haben. Dies ist eine Voraussetzung dafür, dass ein Land überhaupt Finanzhilfen des ESM beantragen kann.
Das Europäische Semester regelt den Planungs- und Berichtszyklus zur wirtschaftspolitischen Steuerung und Haushaltsüberwachung. Innerhalb dieser Zyklen werden die nationalen wirtschaftspolitischen Entwicklungen sowie die Reform- und Stabilitätsprogramme der Mitgliedstaaten koordiniert und abgestimmt. Darüber hinaus erhalten die Mitgliedstaaten im Vorfeld ihrer nationalen Haushaltsverfahren politische Leitlinien und länderspezifische Empfehlungen.
Das Europäische Semester soll übermäßige Staatsverschuldung vermeiden.
Das Europäische Semester soll erstens dazu beitragen, eine übermäßige Staatsverschuldung zu vermeiden. Dazu prüft die Kommission, ob die Haushaltsplanungen im Einklang mit dem SWP stehen. Hierfür reichen die Mitgliedstaaten jeweils bis Mitte Oktober ihre Haushaltspläne für das darauffolgende Jahr ein. Im April legen die Euro-Länder ihre nationalen Stabilitätsprogramme und die Nicht-Euro-Länder (mit Ausnahme von Dänemark) ihre nationalen Konvergenzprogramme vor. Darin erläutern sie ihre mittelfristige Haushaltsplanung.
Um wirtschaftspolitische Fehlentwicklungen zu vermeiden, enthält das Europäische Semester zweitens ein Verfahren, mit dem gesamtwirtschaftliche Ungleichgewichte frühzeitig erkannt werden sollen ( Macroeconomic Imbalance Procedure, MIP).
Drittens soll das Europäische Semester der ganzjährigen Koordinierung der Wirtschaftspolitik dienen, um wirtschaftlichen Herausforderungen, die die ganze EU betreffen, möglichst gemeinsam zu begegnen. Hierfür legen die Mitgliedstaaten jeweils im April ihre nationalen Reformprogramme vor. Diese enthalten geplante strukturelle Reformen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Die Kommission bewertet die nationalen Reformprogramme und erarbeitet länderspezifische Empfehlungen, die vom Rat verabschiedet werden.
Im Zuge der Staatsschuldenkrise beschloss der Europäische Rat, einen permanenten Stabilitätsmechanismus einzurichten. Dem hierfür gegründeten Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gehören alle 19 Euro-Länder an. Im Oktober 2012 nahm er seine Arbeit auf.
Der ESM steht bereit, die Finanzstabilität des Euroraums insgesamt und seiner Mitgliedstaaten zu sichern. Dazu kann er im Krisenfall Finanzhilfen an Euro-Länder vergeben, die schwerwiegende Finanzierungsprobleme haben oder denen solche drohen.
Um den gegenseitigen Haftungsausschluss zu wahren, ist die Kreditvergabe an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Erstens muss mit dem betroffenen Land ein Anpassungsprogramm vereinbart werden. Die darin enthaltenen Reformen sollen geeignet sein, die aufgetretenen Probleme zu beheben. Zweitens dürfen die Finanzhilfen nur an Staaten vergeben werden, deren Staatsverschuldung grundsätzlich tragfähig ist. Sofern dies nicht der Fall ist, muss die Tragfähigkeit zuvor durch eine angemessene Beteiligung des Privatsektors wiederhergestellt werden (Schuldenschnitt).
Drittens einigten sich alle am ESM teilnehmenden Länder darauf, Umschuldungsklauseln („Collective Action Clauses“) in ihre Staatsanleihebedingungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr aufzunehmen. Im Falle eines staatlichen Zahlungsausfalls erleichtern diese Klauseln die Einigung über die Umschuldung der staatlichen Verbindlichkeiten – wie etwa einen Schuldenschnitt. Dies entspricht dem Ordnungsrahmen der Währungsunion, demzufolge ein staatlicher Zahlungsausfall im Prinzip auch für die Mitgliedsländer der Währungsunion möglich ist und staatliche Tragfähigkeitsprobleme nicht durch den ESM oder andere Mitgliedstaaten übernommen werden.
Der ESM wurde als „permanenter Rettungsschirm“ eingerichtet.
Dem ESM stehen für Finanzhilfen an die Mitgliedstaaten insgesamt 500 Milliarden Euro zur Verfügung. Er beschafft sich diese Mittel größtenteils über die Ausgabe von Anleihen am Kapitalmarkt. Damit sich der ESM zu günstigen Konditionen verschulden kann, ist das von den Mitgliedstaaten gezeichnete Stammkapital höher als das maximale Ausleihvolumen (Überzeichnung). Das Stammkapital beträgt 700 Milliarden Euro. Davon haben die Euro-Länder insgesamt 80 Milliarden Euro in bar eingezahlt. Die restlichen 620 Milliarden Euro können bedarfsweise abgerufen werden. Deutschland ist am Stammkapital des ESM mit rund 27% beteiligt. Das Haftungsrisiko Deutschlands entspricht somit rund 190 Milliarden Euro.
Bisher nahmen Griechenland, Zypern und Spanien ESM-Hilfen in Anspruch. Griechenland, Portugal und Irland erhielten zudem Hilfskredite aus den vorangegangenen temporären Rettungsmechanismen.
Am 27. Januar 2021 haben die Mitglieder des ESM eine Reform des Stabilitätsmechanismus beschlossen. Diese tritt in Kraft sobald das entsprechende ESM-Änderungsabkommen durch alle Mitgliedstaaten ratifiziert wurde.
Die beschlossene Reform zielt darauf ab, den ESM als Krisenbewältigungsinstrument fortzuentwickeln, um Gefahren für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner einzelnen Mitgliedstaaten effektiver abwenden zu können. Wesentliche Elemente sind eine Reform der vorsorglichen Kreditlinien des ESM sowie der Umschuldungsklauseln in künftigen Staatsanleihebedingungen, die Einführung des ESM als Letztsicherung für den Einheitlichen Abwicklungsfonds (SRF) sowie eine stärkere Rolle des ESM in der Krisenvorsorge und bei der Gestaltung und Überwachung künftiger Hilfsprogramme.
In Reaktion auf die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die EU die gesetzlichen Grundlagen für eine „ Bankenunion“ geschaffen, ein Gefüge neuer europäischer Institutionen. Die Bankenunion umfasst neben dem Einheitlichen Aufsichtsmechanismus auch einen Einheitlichen Abwicklungsmechanismus sowie ein gemeinsames System der Einlagensicherung. Alle Euro-Länder nehmen an der Bankenunion teil. Weitere EU-Länder können freiwillig beitreten.
Die Bankenunion besteht aus drei Säulen.
Die Bankenunion soll die Aufsicht über die Banken in den teilnehmenden Staaten vereinheitlichen und verbessern, die Finanzstabilität im Euroraum erhöhen und die enge Verknüpfung der Verschuldung von Finanzsektor und Staaten lockern.
Der Einheitliche Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) hat einen neuen Rahmen für die Bankenaufsicht in Europa geschaffen. Hauptzweck ist, die Sicherheit und Solidität des europäischen Bankensystems zu gewährleisten sowie die Finanzintegration und -stabilität in Europa zu stärken. Verflechtungen zwischen Banken und Staaten sollen reduziert, Einleger und Gläubiger der Finanzinstitute vor Verlusten geschützt sowie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den europäischen Bankensektor gestärkt werden.
Der SSM nahm am 4. November 2014 seine Arbeit auf. Als unabhängiges Organ der EU nimmt die EZB die Bankenaufsicht aus europäischer Perspektive wahr, indem sie einen gemeinsamen Ansatz für die laufende Aufsicht entwickelt, vereinheitlichte Aufsichts- und Korrekturmaßnahmen ergreift und die konsequente Anwendung der Verordnungen und Aufsichtspolitik sicherstellt.
Die EZB ist gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden dafür verantwortlich, dass die europäische Bankenaufsicht wirksam und reibungslos funktioniert.
Damit die Trennung zwischen den aufsichtsrechtlichen und geldpolitischen Funktionen der EZB sichergestellt ist, wurden neue Gremien geschaffen. Höchstes Entscheidungsgremium des SSM ist das Aufsichtsgremium (Supervisory Board), dem hochrangige Vertreter der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden angehören. Das Aufsichtsgremium bereitet die Entscheidungen des EZB-Rats vor, der letztlich alle Entscheidungen genehmigen muss.
Das Aufsichtsgremium unterbreitet dem EZB-Rat Beschlussentwürfe, die dieser nicht verändern kann. Er kann ihnen nur zustimmen oder sie an das Aufsichtsgremium zurückgeben. Der oder die Vorsitzende des Supervisory Board wird von den teilnehmenden Mitgliedstaaten für eine einmalige Amtszeit bestellt. Die Stellvertretung wird von einem Mitglied des EZB-Direktoriums wahrgenommen. Weitere Mitglieder im Aufsichtsgremium kommen von der EZB (insgesamt vier) sowie aus den nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten (jeweils eins). Für Deutschland stellt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ein Mitglied, das einen Vertreter oder eine Vertreterin der Bundesbank zu den Sitzungen mitbringen kann. Das Gremium wird von einem Lenkungsausschuss unterstützt, in dem die Mitglieder des Aufsichtsgremiums in kleinerer Zusammensetzung Sitzungen und Beschlüsse vorbereiten.
Aufgaben der EZB im Bereich der Bankenaufsicht übernimmt das Aufsichtsgremium.
Die EZB ist für die direkte Aufsicht über aktuell 115 bedeutende Banken in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zuständig. Auf diese Banken entfallen mehr als 80% der Bankaktiva in den teilnehmenden Mitgliedstaaten. Die Entscheidung, ob eine Bank als „bedeutend“ eingestuft wird, richtet sich nach ihrer Größe (Gesamtaktiva von mehr als 30 Milliarden Euro oder über 20% des BIP, jedoch nicht unter 5 Milliarden Euro) oder ihrer Bedeutung für die Wirtschaft des Landes, in dem sie ansässig ist. In jedem teilnehmenden Mitgliedstaat unterliegen zumindest die drei bedeutendsten Banken ungeachtet ihrer absoluten Größe der direkten Aufsicht durch die EZB.
Zur laufenden Beaufsichtigung der bedeutenden Banken bildet die EZB gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams, JSTs), die aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden, wie der Bundesbank, bestehen. Für jede bedeutende Bank gibt es ein eigenes JST. Die Aufsicht über die weniger bedeutenden Banken liegt bei den nationalen Aufsichtsbehörden. Im Euroraum gibt es aktuell ungefähr 2.500 weniger bedeutende Banken. Darunter sind rund 1.600 Banken in Deutschland. Sie werden gemeinsam von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und der Bundesbank beaufsichtigt.
Die EZB arbeitet in der Bankenaufsicht eng mit den nationalen Aufsichtsbehörden zusammen.
Die Bundesbank verantwortet dabei die laufende Aufsicht und prüft die Banken vor Ort. Sie nimmt dort die Unternehmensführung und die Risikosteuerung unter die Lupe und kontrolliert die Einhaltung der Regeln zu Eigenkapital und Liquidität. Neben der laufenden Aufsicht beteiligt sich die Bundesbank auch an der Weiterentwicklung Bankenaufsichtlicher Vorschriften, insbesondere im internationalen „Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht“.
Die Bankenaufsicht greift nicht direkt in einzelne Geschäfte der Banken ein. Sie setzt vielmehr quantitative Rahmenvorschriften, u. a. durch Vorgaben für die Mindestausstattung mit Eigenkapital. Damit die Aufsichtsbehörden die Einhaltung dieser Vorschriften prüfen können, müssen ihnen die Banken hierüber regelmäßig Meldungen erstatten. Neben den quantitativen Vorgaben müssen die Banken qualitative Anforderungen insbesondere an ihre Organisation und Steuerung erfüllen. Ergänzt wird die staatliche Aufsicht durch die Kontrolle anderer Marktteilnehmer, beispielsweise durch Bankenverbände oder Ratingagenturen, und durch die Offenlegung der Bilanzen gegenüber anderen Marktteilnehmern.
Im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht arbeiten Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer – darunter die Deutsche Bundesbank – zusammen. Im Jahre 2007 trat auf Initiative des Ausschusses „Basel II“ in Kraft. Dieses Regelwerk schreibt den Banken eine Mindestausstattung an Eigenkapital vor.
Zudem verlangt das Regelwerk, dass die Banken ausreichend Kapital vorhalten, um die Verluste aus den eingegangenen Risiken decken zu können, und es definiert bestimmte Offenlegungspflichten.
Als Reaktion auf die Finanzkrise wurden viele Regelungen verschärft oder neu entwickelt. 2010 beschloss der Baseler Ausschuss strengere Vorschriften. Das Regelwerk „ Basel III“ schreibt die Basel-II-Vorschriften fort, indem den Banken unter anderem vorgeschrieben wird, mehr und qualitativ höherwertiges Kapital vorzuhalten. Banken sollen deutlich besser in der Lage sein, mögliche Verluste – zum Beispiel aus Kreditausfällen – zu verkraften. Weitere Vorschriften betreffen die Liquiditätsausstattung der Banken, die Mindestgröße des Verhältnisses von Eigen- und Fremdkapital (Leverage Ratio) und einen antizyklischen Kapitalpuffer, den die Aufsichtsbehörden bei Bedarf zur Verbesserung der Finanzstabilität einsetzen können. Die Basel-III-Vorschriften sind wesentliche Bestandteile eines Richtlinien- und Verordnungspaketes der Europäischen Union, das unter “CRD/CRR“ bekannt ist (Capital Requirements Directive/Capital Requirements Regulation). Sie sind auch Grundlage für die Bankenaufsicht in Europa.
Im Jahr 2016 wurde mit dem einheitlichen Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) die zweite Säule der Bankenunion geschaffen. Der SRM schafft einen Rahmen für die geordnete Abwicklung von Banken, die in Schieflage geraten sind. Dies soll geordnete Marktaustritte von Banken ohne Gefährdung der Finanzstabilität ermöglichen und damit dem marktwirtschaftlichen Prinzip der Haftung für eigene Verluste auch bei Banken Geltung verschaffen. Denn in der Finanzkrise 2007/2008 bewahrte die Politik zahlreiche Banken mit Hilfe von Steuergeldern vor der Insolvenz, weil befürchtet wurde, dass ein ungeordneter Zusammenbruch die Finanzstabilität gefährden könnte. Die Eigentümer und Gläubiger dieser Banken wurden damit aber teilweise oder ganz von Verlusten verschont, das Haftungsprinzip somit verletzt.
Der Einheitliche Abwicklungsmechanismus trat 2016 in Kraft.
Der SRM findet grundsätzlich auf alle Banken Anwendung, die auch vom SSM umfasst sind. Zwei Elemente kennzeichnen den institutionellen Aufbau des SRM: Zum einen die Einheitliche Abwicklungsbehörde (Single Resolution Board, SRB), die Entscheidungen zur Abwicklung von Banken trifft. Dabei arbeitet sie nicht alleine, sondern zusammen mit den nationalen Abwicklungsbehörden, in Deutschland der BaFin. Zum anderen der Einheitliche Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF), der von den Banken finanziert wird und die für eine Abwicklung benötigten finanziellen Mittel bereitstellt. Der SRF soll bis Ende 2023 mit einem Volumen von rund 70-75 Milliarden Euro befüllt werden.
Seit 2022 wird der SRF zusätzlich durch die Einrichtung einer Letztsicherung (sog. Common Backstop) gestärkt. Hierbei handelt es sich um eine Kreditlinie des ESM gegenüber dem SRF. Sie darf eine nominale Obergrenze von 68 Milliarden Euro nicht überschreiten. Die Letztsicherung deckt alle Verwendungszwecke des SRF ab und stärkt somit die Schlagkraft des SRB, um auch die Abwicklung komplexer Banken unter schwierigen Marktbedingungen mit möglichst minimalen Auswirkungen auf Wirtschaft, Finanzstabilität und öffentliche Mittel durchzuführen.
Der dritte Baustein der Bankenunion – ein gemeinsames System der Einlagensicherung (Deposit Guarantee Scheme, DGS) – wurde zunächst von der Politik vertagt. Grundgedanke ist der Aufbau eines europäischen Einlagensicherungsfonds, der die Gläubiger einer Bank im Falle deren Konkurses bis zu einer bestimmten Höhe gegen Verluste abschirmt. Derzeit gelten die EU-weiten gemeinsamen Regeln zur Vereinheitlichung der nationalen Einlagensicherungssysteme.
Die aktuelle rechtliche Grundlage ist die EU-Einlagensicherungsrichtlinie von 2014, durch die nationale Einlagensicherungssysteme in jedem EU-Mitgliedstaat garantieren, dass pro Kunde und Bank Einlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro gesichert sind. Die Richtlinie wurde in Deutschland durch das Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) umgesetzt. Davor bestand in Deutschland aber auch schon seit vielen Jahren ein gesetzlicher Einlagenschutz.
Gemäß EinSiG müssen alle Banken mit Einlagengeschäft einem Einlagensicherungssystem angeschlossen sein. Dazu gehören gesetzliche Entschädigungseinrichtungen und sogenannte institutsbezogene Sicherungssysteme. Letzteren sind Genossenschaftsbanken und Sparkassen angeschlossen.
Diese schützen bei drohenden oder bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten innerhalb ihres jeweiligen Verbunds mittels Bürgschaften und Garantien vor Insolvenz und Liquidation. Einlagen bei unselbständigen Niederlassungen von Banken aus anderen EU-Staaten in Deutschland sind gemäß der Einlagensicherungsrichtlinie über das Einlagensicherungssystem des jeweiligen Herkunftslandes abgesichert.
Die deutschen Banken haben einen umfassenden Einlagenschutz.
Der gesetzliche Einlagenschutz sichert Guthaben auf Girokonten, Sparbüchern, Termin- und Festgeldkonten bis zur harmonisierten Sicherungsgrenze von 100.000 Euro je Kunde und je Bank (erhöhter Schutzumfang von bis zu 500.000 Euro für besonders schutzwürdige Einlagen). Geht eine Bank in Konkurs, sind Einlagen bis zu dieser Höhe durch die gesetzliche Einlagensicherung abgesichert. Die einem Einlagensicherungssystem zugeordneten Banken sind zur Finanzierung der Entschädigungszahlungen verpflichtet. Dazu werden von ihnen Beiträge erhoben.
Die privaten Banken in Deutschland haben eine die gesetzliche Einlegerentschädigung ergänzende, freiwillige Einlagensicherung, die zusätzlich Einlagen von privaten Kunden, Personengesellschaften und manchen Stiftungen sichert. Der Schutzumfang wird bis 2030 schrittweise auf eine Million Euro für private Kunden und zehn Millionen Euro für Unternehmen reduziert. Einlagen von öffentlichen Stellen, Wertpapierfirmen und Finanzinstituten fallen nicht unter die freiwillige Einlagensicherung. Dem freiwilligen Einlagensicherungsfonds gehören die meisten, aber nicht alle privaten Banken in Deutschland an. Auch unselbständige Niederlassungen von Banken aus anderen EU-Staaten können Mitglied in dieser freiwilligen Einlagensicherung der privaten Banken sein und damit die europäisch-harmonisierte Einlagensicherung im Heimatland ergänzen.